Freitag, 24. Januar 2020

Aufsätze



Zwischen katholischem und völkischem Antisemitismus. Die Bücher, Broschüren und Bilderbogen des Schriftstellers Max Bewer (1861- 1921), in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 34, H.2 (2009), S. 121-156.

Abstract
Antisemitismusforschung und deutsch- jüdische Geschichte haben in den letzten Jahren herausgearbeitet, dass positive wie negative Haltungen gegenüber Juden auch im ‚Zeitalter der Säkularisierung’ ganz entscheidend durch konfessionelle Milieus bestimmt wurden. Im Deutschen Kaiserreich war Antisemitismus nicht wie lange Zeit angenommen ein Privileg protestantischer Nationalisten, sondern auch im katholischen Milieu verbreitet. Unter Katholiken verband sich Judenfeindlichkeit mit Ultramontanismus und Antimodernismus, nicht jedoch mit einem rassistischen Weltbild wie bei vielen protestantischen Nationalisten. Die grundsätzlich zutreffende Unterscheidung zwischen katholischem und völkischem Antisemitismus hat jedoch dazu geführt, dass in der Forschung Verbindungen zwischen beiden Antisemitismen übersehen wurden. Auf dieses Defizit will der Essay mit einer Analyse der zahlreichen Bücher, Broschüren und Bilderbogen des katholischen Schriftstellers Max Bewer hinweisen.
           


Katholischer und völkischer Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich. Schnittmengen und Übergänge, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 20 (2010), S. 156-179.

Abstract
Thomas Gräfe plädiert für ein Erklärungsmodell der Judenfeindschaft mithilfe zweier Varianten, des nationalkonservativen protestantischen und des ultramontan-katholischen Ressentiments auf der einen Seite sowie des völkischen Antisemitismus andererseits, um der längst überholten Kontinuitätsthese, die die Brücke vom christlichen Antijudaismus zum rassistischen Antisemitismus schlagen will, durch ein überzeugendes Modell zu ersetzen. Dazu ist auch endgültig Abschied zu nehmen von der Vorstellung, der Katholizismus sei gegenüber negativen Judenbildern weniger anfällig oder gar immun gewesen. Die Biografie und das Werk des Schriftstellers Max Bewer stehen im Mittelpunkt des Beitrags, der Gemeinsamkeiten zwischen dem völkischen und dem katholischen Lager in der „Judenfrage“ auslotet. (S. 9f.)



Modernisierung als "Entgermanisierung"? Walther Rathenau und der völkische Schriftsteller Hermann Burte, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 163 (2015), S. 245-275.

Abstract
Der Industrielle und Politiker Walther Rathenau wurde im Juni 1922 von rechtsextremen Terroristen ermordet. Umso erstaunlicher ist es, dass Rathenau seit 1912 freundschaftliche Beziehungen zu einzelnen Exponenten der völkischen Bewegung pflegte. "Jüdischer Selbsthass", so eine populäre Forschungsmeinung, habe ihn zu übersteigerter Anpassung und zur Sympathie mit dem Antisemitismus getrieben. Dieser Beitrag widerspricht der Selbsthassthese. Am Beispiel der Beziehung Rathenaus zu Hermann Burte wird aufgezeigt, dass Rathenau in der Modernisierungs- und Zivilisationskritik Berührungspunkte mit den Völkischen erkannte, während er ihren Antisemitismus und Rassismus ablehnte. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass die völkische Bewegung zur Wilhelminischen Zeit durchaus kein subkulturelles Nischendasein fristete. Vielmehr verfügte sie mit ihrer Hoheit über den modernisierungs- und zivilisationskritischen Diskurs über ein Einfallstor in die bildungsbürgerliche Mitte der Gesellschaft.



Der Hegemonieverlust des Liberalismus. Die "Judenfrage" im Spiegel der Intellektuellenbefragungen 1885-1912, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 25 (2016), S. 73-100.

Abstract
Zwischen 1885 und 1912 wurden von deutschen und österreichischen Journalisten fünf Intellektuellenbefragungen veranlasst, die insgesamt über 300 Stellungnahmen prominenter Personen des öffentlichen Lebens zur "Judenfrage" sammelten und veröffentlichten. Der Essay fragt auf der Grundlage einer systematischen Auswertung dieser Quellen nach Kontinuität und Wandel hegemonialer Meinungen in den Lösungsvorschlägen, die Antisemiten und Anti-Antisemiten für die "Judenfrage" unterbreiteten.



Die Antisemitismusumfrage Hermann Bahrs unter europäischen Intellektuellen 1893/94, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 19 (2017), S. 35-76.

Abstract
Der Beitrag widmet sich der 1893 von dem österreichischen Journalisten Hermann Bahr durchgeführten Antisemitismusumfrage unter europäischen Intellektuellen, indem er erstmals eine Gesamtauswertung dieser Quelle unter sozial-, kommunikations- und diskursgeschichtlichen Aspekten vornimmt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Identifizierung hegemonialer Meinungen, der Rolle von Emotionen und Performanz, dem Gebrauch zeittypischer Diskursregeln sowie dem Vergleich mit den Ergebnissen späterer Intellektuellenbefragungen. Obwohl die Interviews eine große Spannbreite antisemitischer und anti-antisemitischer Meinungsäußerungen aufweisen, konnten sich fast alle Teilnehmer beider Lager nur eine "Lösung der Judenfrage" durch Assimilation vorstellen. Dieser Konsens löste sich jedoch in späteren Umfragen auf.



Der entnazifizierte Chamberlain und der nazifizierte Wagner. Kritische Anmerkungen zu den geschichtspolitischen Irrwegen der Wagnerianismusforschung, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 26 (2017), S. 415-433.

Abstract
Es ist unstrittig, dass der Wagnerianismus zu Entstehung und Verbreitung des völkischen Rassenantisemitismus maßgeblich beigetragen hat. Doch bezüglich der beteiligen Protagonisten verzettelt sich die Wagnerianismusforschung in einem geschichtspolitischen Stellungskrieg, in dem es nicht um Erkenntnisgewinn, sondern ausschließlich um moralische Be- oder Entlastung geht. Dies zeigt der Essay beispielhaft an den jüngsten Arbeiten Udo Bermbachs und Hubert Kiesewetters, gegen deren Thesen das „Vetorecht der Quellen“ aufgerufen wird.



Tourismusförderung oder nationalistische Kultstätten? Die Bismarcktürme in Vlotho und Porta Westfalica 1902-1952, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 26 (2019), S. 212-237.

Abstract
Der Aufsatz befasst sich mit der Baugeschichte und der Nutzung der Bismarcktürme Vlothos und Porta Westfalicas. Dabei werden erstmals nicht nur die Denkmalsformen analysiert, sondern die sozial- und politikgeschichtlichen Hintergründe des Bismarck-Kultes im Kaiserreich und in der Weimarer Republik berücksichtigt. Die Bismarcktürme standen stets in einem Spannungsfeld zwischen Tourismusförderung und nationalistischer Agitation, das in den beiden Weserstädten sehr unterschiedlich aufgelöst wurde.



Antisemitismus im deutschen Kaiserreich. Stereotypenmuster, Aktionsformen und die aktuelle Relevanz eines „klassischen“ Forschungsgegenstandes, in: Sozial.Geschichte Online 25 (2019), S. 45-80.

Abstract
Jede Diskussion über einen „neuen“ Antisemitismus muss von einem diachronen Vergleich ausgehen. Die meisten Studien über den gegenwärtigen Antisemitismus verfolgen seine Geschichte aber nur bis 1945 zurück, nicht aber bis zu den Wurzeln des modernen Antisemitismus im 19. Jahrhundert. Sie fassen den Nach-Holocaust-Antisemitismus weitgehend ungeprüft als etwas substantiell Neues auf und charakterisieren dies mit Attributen wie sekundär, postmodern oder israelbezogen. Dieser Essay widmet sich der Ideologie und sozialen Praxis des Antisemitismus im deutschen Kaiserreich und vergleicht sie mit den Erscheinungsformen der gegenwärtigen Judenfeindlichkeit in Deutschland. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren, um zu ermitteln, was am „neuen“ Antisemitismus tatsächlich „neu“ und was „alt“ ist.




Anpassung oder Rebellion? Weltanschauliches Profil und soziale Funktion des Antisemitismus in der frühen deutschen Jugendbewegung, in: Jahrbuch für historische Bildungsforschung 27 (2021), S. 181-205.

Abstract

Die Jugendbewegungsforschung ist sich weitgehend einig, dass die Verbreitung des Antisemitismus im Wandervogel auf die Anpassung an Normen der Herkunftsmilieus sowie die Vereinnahmung durch die völkische Bewegung zurückzuführen sei. Dies habe im Kontrast zum progressiven kulturkritischen Potenzial der Bewegung gestanden und sei deshalb auf Widerstand aus den eigenen Reihen gestoßen. Ein Blick in jugendbewegte Zeitschriften ergibt jedoch ein völlig anderes Bild: Viele Wandervogelführer/-innen verknüpften Antisemitismus und Kulturkritik und nutzten sie für eine konformistische Rebellion gegen unverstandene Modernisierungsprozesse und die überkommenen bürgerlich-liberalen Werte der Erwachsenenwelt. Die Gegner/-innen der Völkischen im Wandervogel waren nicht gleichzeitig auch Gegner des Antisemitismus. Vielmehr bevorzugten sie einen kulturalistischen Rassismus, der auf eine konformistische Rebellion verzichtete und die soziale Akzeptanz der Jugendbewegung nicht gefährdete.



"Pogromdepp" und "Salonantisemit". Adolf Bartels und Houston Stewart Chamberlain: Zwei Varianten des völkischen Antisemitismus im Kontext von Bürgerlichkeit und Bildungskultur, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 35, H. 2 (2022), S. 202-226.

Abstract

Glaubt man zeitgenössischen Beobachtern und Historikern, gab es im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zwei Spielarten des Antisemitismus: einen Standards bürgerlicher Respektabilität unterschreitenden Radau-Antisemitismus und einen bürgerlichen Antisemitismus, der gemäßigter auftrat und und auch im Bildungsbürgertum akzeptiert wurde. Am Beispiel der völkischen Weltanschauungsproduzenten Adolf Bartels und Houston Stewart Chamberlain wird hinterfragt, ob und inwiefern diese Unterscheidung haltbar ist. Es stellt sich heraus, dass zwischen dem "Radauantisemiten" Bartels und dem "Salonantisemiten" Chamberlain keine substanziellen weltanschaulichen Differenzen bestanden, während sich beide in der Verfügbarkeit über kulturelles Kapital sowie im anvisierten und erreichbaren Zielpublikum durchaus unterschieden. Folglich müssen Radau-Antisemitismus und bürgerlicher Antisemitismus eher als sozialgeschichtliche denn als ideengeschichtliche Kategorien aufgefasst und nicht als Gegenbegriffe, sondern in ihrer Interaktion untersucht werden.



Die Villa Grundmann in der Vlothoer Moltkestraße: Arisierung und Wiedergutmachung, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 31 (2024), S. 243-261.

Abstract

Viele regionalgeschichtliche Studien assoziieren Arisierungen vorrangig mit Unternehmen und den Gesetzen zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben von 1938. Frühe Arisierungen geraten deshalb ebenso leicht aus dem Blick wie die Veräußerung privaten Grundbesitzes. Zudem fehlt gerade im ostwestfälischen Raum die Einbeziehung der Wiedergutmachung nach dem 1949 eingeführten Rückerstattungsgesetz. Der untersuchte Einzelfall kann diese Lücken nicht schließen. Aber er kann aufzeigen, dass ein weiter gefasstes Verständnis von Arisierung und Wiedergutmachung nötig ist, das nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche und ökonomische Faktoren berücksichtigt.



Miszellen


Martin Luther und die Juden. Die Grenzen christlicher Toleranz zur Reformationszeit, in: Gemeindezeitung Berlin-Neukölln Okt./Nov. 2009, S. 7.

Den Antisemiten die Instrumente weggenommen. Das Schicksal von Ilse und Julius Charig, in: Westfalen Blatt 27.2.2021.

"Nach Vlotho kehrte keiner zurück" Über die verschwiegene Rückkehr von Henny und Marianne Silberberg nach Vlotho, in: Westfalen Blatt 9.11.2021.

Vergessene Nachbarn? Ein Überblick über die Geschichte der Juden in Westfalen, Vortrag im MGH Bad Oeynhausen 8.11.2023.

Israel und der Nahostkonflikt. Geschichte - Rahmenbedingungen - Lösungsvarianten, Vortrag im Calvin-Haus Bad Salzuflen 27.2.2024.



Antisemitismus in Bild und Text. Die Karikaturenserie Politische Bilderbogen 1892-1901, in: Die Mark Brandenburg. Zeitschrift für die Mark und das Land Brandenburg, Sonderheft 2023, S. 22-25.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen