Dienstag, 22. Oktober 2024

Projekt Arisierung und Wiedergutmachung

 in den Kreisen Herford und Minden und im Land Lippe




erschienen Oktober 2024
€ 11,50; 91 Seiten; 16 Abbildungen; 6 Tabellen; 3 Karten
ISBN 978-3-7597-9263-1 


Abstract

Das Erinnern und Gedenken an die Judenverfolgung zwischen 1933 und 1945 in Vlotho und Bad Oeynhausen wird von vielen engagierten Personen, Vereinen und Initiativen wach gehalten. Doch in der historischen Aufarbeitung der Ereignisse vor Ort gibt es noch viele Lücken zu füllen. Was passierte in Vlotho und Bad Oeynhausen mit dem zurückgelassenen Hausrat deportierter Juden? Und welche juristischen Konsequenzen hatte die Verwertung entzogenen jüdischen Eigentums nach dem Krieg im Rahmen von Wiedergutmachung und Entnazifizierung? Die Auswertung der Wiedergutmachungsakten der Kommunalarchive Herford und Minden sowie des Landesarchivs Detmold bietet tiefe Einblicke in die Rechts- und Alltagsgeschichte des Dritten Reiches und der Nachkriegszeit, die oft ernüchternd, selten ermutigend und manchmal unfreiwillig komisch wirken.


Ausstellung "Betrifft: Aktion 3"



Gedenkstätte Zellentrakt Herford 4.4.-21.7.2025





Die Villa Grundmann in der Vlothoer Moltkestraße: Arisierung und Wiedergutmachung, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 31 (2024), S. 243-261.


Abstract

1936 erwarb die reformierte Gemeinde St. Johannis eine Villa in der Vlothoer Moltkestraße und ließ sie zum Gemeindehaus umbauen, das sie bis 2025 nutzte. Voreigentümerin war die jüdische Witwe Minna Grundmann, die bewusst die zur Bekennenden Kirche zählende Gemeinde als Käuferin auswählte. Allerdings stand sie wegen einer anderen Arisierung unter Handlungsdruck und erhielt einen Preis, der nicht einmal die Hypothekenschuld deckte. 1942 erwarb die reformierte Gemeinde einen Schrank aus den Hinterlassenschaften der deportierten und ermordeten Familie Grundmann. Nach dem Krieg bestritt die Gemeinde, den Schrank zu besitzen und gab im Rückerstattungsverfahren für die Villa  Falschaussagen über den Hergang des Immobiliengeschäfts ab, um  letztlich erfolglos – eine Entschädigung zu vermeiden. Der Pastor, der die Falschaussagen tätigte, wurde 1965 Gründungsmitglied und Vorsitzender der Mendel-Grundmann-Gesellschaft, eines "Vereins für jüdische Regionalgeschichte". Der Verein verlegte vor dem "sogenannten evangelischen Gemeindehaus" (Sigmund Mosheim) einen Stolperstein, tagte regelmäßig darin und stellte der Kirchengemeinde keine Fragen. Der Fall eröffnet tiefe Einblicke in die Verantwortungs- und Erinnerungsverweigerung im lokalen und kirchlichen Raum.





Zwei Versionen derselben Geschichte. Der Arisierungs- und Rückerstattungsfall Eichmann/ Vorndamme in Schötmar, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 94 (2025), S. 186-209.


Abstract

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass nur regimetreue Personen und Unternehmen im "Dritten Reich" von Arisierungen profitierten. Bis 1938 konnten sich die Juden noch aussuchen, an wen sie ihr Eigentum verkauften. Einige wandten sich an Nachbarn, Geschäftspartner und Teilhaber, von denen sie wussten, dass sie keine Nazis waren und einigermaßen faire Preise zahlen würden. Doch auch diese Erwerber waren  unabhängig von ihrer subjektiven Handlungsmotivation  Profiteure der Verfolgung und nach 1945 dafür haftbar. Welche Verwicklungen und widersprüchlichen Deutungen sich aus dieser Konstellation im Rahmen der Rückerstattung ergaben, beleuchtet der Beitrag am Beispiel des Arisierungsfalls Eichmann/ Vorndamme in Schötmar.





Akte mit Sperrvermerk. Arisierung und Restitution der Metzgerei Frank in Bad Oeynhausen 1938 bis 1953, in: Geschichte(n) aus Löhne und Bad Oeynhausen. Beiträge zur Heimatkunde der Städte Löhne und Bad Oeynhausen 25 (2025), S. 105-141.


Abstract

Die jüdische Familie Frank betrieb in Bad Oeynhausen eine Metzgerei in der dritten Generation. 1938 musst sie den Betrieb sowie weitere Besitzungen unter Zwang und deutlich unter Wert verkaufen. Nach der Deportation von Edwin und Ida Frank, die beide nicht überlebten, wurden zudem ihr Hausrat und ihr bereitstehendes Auswanderungsgepäck versteigert. Die Vorgänge blieben nach Kriegsende zumindest in zivilrechtlicher Hinsicht nicht folgenlos. Die nach Uruguay geflüchtete Tochter Herta Frank betrieb erfolgreiche Rückerstattungsklagen gegen die Erwerber, die aufgrund von personenbezogenen Sperrfristen in den Akten bis heute nicht namentlich genannt werden dürfen. Der Beitrag zeichnet Arisierung und Wiedergutmachung nach und ordnet sie in den historischen und juristischen Kontext ein.



2026 erscheint

Gab es Arisierungen in Löhne? Ergebnisse einer quellenkritischen Aktenlektüre

Über die Judenverfolgung im Dritten Reich in den Ortschaften der heutigen Stadt Löhne ist bislang wenig bekannt. Da die meisten Löhner Juden in sogenannten "Mischehen" lebten, schien sich die Frage nach Arisierungen zu erübrigen. Doch die Wiedergutmachungsakten im Kommunalarchiv Herford und im Landesarchiv Detmold offenbaren, dass es in Löhne bzw. unter Beteiligung Löhner Bürger sehr wohl zu Arisierungsvorgängen kam. Nach Kriegsende wurden diese Vorgänge im Rahmen des Rückerstattungswesens zivilrechtlich und in wenigen Fällen bei der Entnazifizierung auch strafrechtlich aufgearbeitet – nicht immer zur Zufriedenheit der Opfer.


in Arbeit

"Mir tat Frau Marx sehr leid, und ich habe sie nach meiner Überzeugung nicht geschädigt." Die juristische Aufarbeitung von Arisierungen in Enger am Landgericht Bielefeld nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Aufarbeitung von Arisierung und Wiedergutmachung erfordert den Blick auf den Einzelfall. Wie an vielen anderen Orten gab es auch in Enger Erwerber, die in einer ausbeuterischen Gewinnabsicht handelten, während andere glaubten, verfolgten Juden durch ihre Käufe zu helfen. Doch machte die Käufermotivation für die objektiven Folgen der Geschäfte überhaupt einen Unterschied? Und wie lief die juristische Aufarbeitung nach 1945 ab? Kann man, wenigstens in materieller Hinsicht, von einer erfolgreichen Wiedergutmachung sprechen?


Service


Sie möchten als Privatperson oder als Gemeinde Arisierungen oder andere Eigentumsverschiebungen im Dritten Reich in Ihrem Umfeld aufarbeiten und wissen nicht wie? Sie möchten mehr über die Wiedergutmachung nach dem Krieg erfahren und dafür Behörden- und Gerichtsakten sichten lassen? In den Kreisen Herford, Minden und Detmold biete ich gegen einen günstigen Stundensatz (plus Fahrtkosten) Beratung und Archivrecherche an.

Die Ausstellung zur "Aktion 3" in Vlotho kann kostenfrei für eine Ausstellungszeit von zwei Monaten gebucht werden. Sie besteht aus 10 Roll-ups. Es stehen Begleitbuch und auf Anfrage didaktische Materialien für Schulen zur Verfügung. Außerhalb des Regierungsbezirks Detmold fallen Versand- und Versicherungskosten an.


Kontakt


Freitag, 24. Januar 2020

Bücher




erschienen September 2005
€ 12,50; 200 Seiten; 13 Abbildungen
ISBN 3-8334-3529-1
(ISBN- 13: 978-3-8334-3529-4)

Klappentext
Das deutsche Kaiserreich wird häufig als eine Epoche widersprüchlicher Entwicklungen charakterisiert. Das trifft ganz besonders für das Schicksal der jüdischen Minderheit zu. Sie erlangte ihre rechtliche Gleichstellung, assimilierte sich zunehmend an die Mehrheits- gesellschaft und erlebte eine Blütezeit in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Gleichzeitig war das Kaiserreich aber auch der Geburtsort des modernen Antisemitismus, der als autonome politische Bewegung weitgehend versagte, seine Stereotype und Feindbilder aber im Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten verankern konnte.
Zwischen 1892 und 1901 entstand im Dresdner Verlag Glöß eine Bilderbogenserie, deren Schöpfer der völkische Schriftsteller Max Bewer war. Ihre 33 Nummern gestatten tiefe Einblicke in die zeichnerische und sprachliche Konstruktion von judenfeindlichen Stereotypen und Feindbildern in einem populären Medium, das Teil einer boomenden antisemitischen "Bekenntnisindustrie" war.

Vgl. die Sammelrezension Christine Brocks, Ist Clio im Bilde? Neuere historische Forschungen zum Visuellen, in: Archiv für Sozialgeschichte 53 (2013), S. 453-486.


          
erschienen Juli 2007
2. erweiterte und überarbeitete Auflage Mai 2010
3. erweiterte und überarbeitete Auflage Mai 2016
€ 19,50; 304 Seiten; 11 Tabellen
ISBN 978-3-8370-0138-9

Klappentext
Dieses Buch will ein Hilfsmittel für die historische Antisemitismusforschung sein und richtet sich an Studenten, Historiker und interessierte Laien, die sich in das Sachgebiet einarbeiten wollen. Zu diesem Zweck sind in ihm Rezensionen, ein Forschungsüberblick und eine Bibliographie zum Antisemitismus in Deutschland zwischen Wiener Kongress und Erstem Weltkrieg zusammengestellt worden. Der erste Teil bietet Rezensionen wichtiger Monographien, die zwischen 1990 und 2009 erschienen sind. Ausgewählt wurden Arbeiten, die auf zentrale Forschungskontroversen verweisen, bisher weniger beachtete Teilbereiche oder Quellen erschließen, neue Interpretationsangebote offerieren oder in methodischer Hinsicht neue Wege gehen. Im zweiten Teil folgt ein Forschungsüberblick, der in möglichst konziser Form Ergebnisse, Hypothesen und Desiderate der neueren historischen Antisemitismusforschung vorstellt. Dabei soll auch ein Blick auf die Theorieangebote der Nachbarwissenschaften und den historiographiegeschichtlichen Wandel geworfen werden. Unterstützt wird die Darstellung durch ein sozial- und politikgeschichtliches Tabellenwerk. Den Abschluss bildet eine Bibliographie mit über 700 Titeln zum Antisemitismus in Deutschland während des 19. Jahrhunderts.

Vgl. die Sammelrezension Neue Gesamtdarstellungen zur Geschichte des Antisemitismus, in: Zukunft-braucht-Erinnerung.de (15.12.2007)


           
Bismarck-Mythos und Politik. Die Mythisierung und Politisierung der Bismarckverehrung durch die Parteien und Verbände des nationalen Lagers zur Wilhelminischen Zeit 1890-1914
überarbeitete Neuveröffentlichung Juni 2014
Diplomica-Verlag, Hamburg
€ 44,99; 124 Seiten; 5 Abbildungen; 5 Tabellen
ISBN 978-3-8428-9853-0

Klappentext
Die Arbeit behandelt die kultische Verehrung des "Reichsgründers" Bismarck im wilhelminischen Kaiserreich vorrangig durch die Parteien, Vereine und Verbände des nationalen Lagers. Im Mittelpunkt steht die Politisierung des Kultes in Denkmalsbau und Festen, d.h. die Ausrichtung von Rhetorik und Symbolik auf die Opposition gegen die Politik des "Neuen Kurses" und den Kampf gegen die "inneren Reichsfeinde".



erschienen November 2018
2. Aufl. Januar 2020
€ 11,95; 100 Seiten; 4 Abb.
ISBN 978-3748182160

Klappentext
Zwischen 1885 und 1932 wurden von deutschen und österreichischen Journalisten acht umfangreiche Intellektuellenbefragungen zu den Themen Judentum und Antisemitismus durchgeführt. Sie ermöglichen es, nachzuvollziehen wie sich im Bildungsbürgertum die Haltung zum Antisemitismus und die Vorstellungen vom Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik veränderten.

Rezension in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 21 (2019), S. 216f.


Aufsätze, Miszellen und Vorträge



Zwischen katholischem und völkischem Antisemitismus. Die Bücher, Broschüren und Bilderbogen des Schriftstellers Max Bewer (1861- 1921), in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 34, H.2 (2009), S. 121-156.

Abstract
Antisemitismusforschung und deutsch- jüdische Geschichte haben in den letzten Jahren herausgearbeitet, dass positive wie negative Haltungen gegenüber Juden auch im ‚Zeitalter der Säkularisierung’ ganz entscheidend durch konfessionelle Milieus bestimmt wurden. Im Deutschen Kaiserreich war Antisemitismus nicht wie lange Zeit angenommen ein Privileg protestantischer Nationalisten, sondern auch im katholischen Milieu verbreitet. Unter Katholiken verband sich Judenfeindlichkeit mit Ultramontanismus und Antimodernismus, nicht jedoch mit einem rassistischen Weltbild wie bei vielen protestantischen Nationalisten. Die grundsätzlich zutreffende Unterscheidung zwischen katholischem und völkischem Antisemitismus hat jedoch dazu geführt, dass in der Forschung Verbindungen zwischen beiden Antisemitismen übersehen wurden. Auf dieses Defizit will der Essay mit einer Analyse der zahlreichen Bücher, Broschüren und Bilderbogen des katholischen Schriftstellers Max Bewer hinweisen.
           


Katholischer und völkischer Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich. Schnittmengen und Übergänge, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 20 (2010), S. 156-179.

Abstract
Thomas Gräfe plädiert für ein Erklärungsmodell der Judenfeindschaft mithilfe zweier Varianten, des nationalkonservativen protestantischen und des ultramontan-katholischen Ressentiments auf der einen Seite sowie des völkischen Antisemitismus andererseits, um der längst überholten Kontinuitätsthese, die die Brücke vom christlichen Antijudaismus zum rassistischen Antisemitismus schlagen will, durch ein überzeugendes Modell zu ersetzen. Dazu ist auch endgültig Abschied zu nehmen von der Vorstellung, der Katholizismus sei gegenüber negativen Judenbildern weniger anfällig oder gar immun gewesen. Die Biografie und das Werk des Schriftstellers Max Bewer stehen im Mittelpunkt des Beitrags, der Gemeinsamkeiten zwischen dem völkischen und dem katholischen Lager in der „Judenfrage“ auslotet. (S. 9f.)



Modernisierung als "Entgermanisierung"? Walther Rathenau und der völkische Schriftsteller Hermann Burte, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 163 (2015), S. 245-275.

Abstract
Der Industrielle und Politiker Walther Rathenau wurde im Juni 1922 von rechtsextremen Terroristen ermordet. Umso erstaunlicher ist es, dass Rathenau seit 1912 freundschaftliche Beziehungen zu einzelnen Exponenten der völkischen Bewegung pflegte. "Jüdischer Selbsthass", so eine populäre Forschungsmeinung, habe ihn zu übersteigerter Anpassung und zur Sympathie mit dem Antisemitismus getrieben. Dieser Beitrag widerspricht der Selbsthassthese. Am Beispiel der Beziehung Rathenaus zu Hermann Burte wird aufgezeigt, dass Rathenau in der Modernisierungs- und Zivilisationskritik Berührungspunkte mit den Völkischen erkannte, während er ihren Antisemitismus und Rassismus ablehnte. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass die völkische Bewegung zur Wilhelminischen Zeit durchaus kein subkulturelles Nischendasein fristete. Vielmehr verfügte sie mit ihrer Hoheit über den modernisierungs- und zivilisationskritischen Diskurs über ein Einfallstor in die bildungsbürgerliche Mitte der Gesellschaft.



Der Hegemonieverlust des Liberalismus. Die "Judenfrage" im Spiegel der Intellektuellenbefragungen 1885-1912, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 25 (2016), S. 73-100.

Abstract
Zwischen 1885 und 1912 wurden von deutschen und österreichischen Journalisten fünf Intellektuellenbefragungen veranlasst, die insgesamt über 300 Stellungnahmen prominenter Personen des öffentlichen Lebens zur "Judenfrage" sammelten und veröffentlichten. Der Essay fragt auf der Grundlage einer systematischen Auswertung dieser Quellen nach Kontinuität und Wandel hegemonialer Meinungen in den Lösungsvorschlägen, die Antisemiten und Anti-Antisemiten für die "Judenfrage" unterbreiteten.



Die Antisemitismusumfrage Hermann Bahrs unter europäischen Intellektuellen 1893/94, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 19 (2017), S. 35-76.

Abstract
Der Beitrag widmet sich der 1893 von dem österreichischen Journalisten Hermann Bahr durchgeführten Antisemitismusumfrage unter europäischen Intellektuellen, indem er erstmals eine Gesamtauswertung dieser Quelle unter sozial-, kommunikations- und diskursgeschichtlichen Aspekten vornimmt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Identifizierung hegemonialer Meinungen, der Rolle von Emotionen und Performanz, dem Gebrauch zeittypischer Diskursregeln sowie dem Vergleich mit den Ergebnissen späterer Intellektuellenbefragungen. Obwohl die Interviews eine große Spannbreite antisemitischer und anti-antisemitischer Meinungsäußerungen aufweisen, konnten sich fast alle Teilnehmer beider Lager nur eine "Lösung der Judenfrage" durch Assimilation vorstellen. Dieser Konsens löste sich jedoch in späteren Umfragen auf.



Der entnazifizierte Chamberlain und der nazifizierte Wagner. Kritische Anmerkungen zu den geschichtspolitischen Irrwegen der Wagnerianismusforschung, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 26 (2017), S. 415-433.

Abstract
Es ist unstrittig, dass der Wagnerianismus zu Entstehung und Verbreitung des völkischen Rassenantisemitismus maßgeblich beigetragen hat. Doch bezüglich der beteiligen Protagonisten verzettelt sich die Wagnerianismusforschung in einem geschichtspolitischen Stellungskrieg, in dem es nicht um Erkenntnisgewinn, sondern ausschließlich um moralische Be- oder Entlastung geht. Dies zeigt der Essay beispielhaft an den jüngsten Arbeiten Udo Bermbachs und Hubert Kiesewetters, gegen deren Thesen das „Vetorecht der Quellen“ aufgerufen wird.



Tourismusförderung oder nationalistische Kultstätten? Die Bismarcktürme in Vlotho und Porta Westfalica 1902-1952, in: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 26 (2019), S. 212-237.

Abstract
Der Aufsatz befasst sich mit der Baugeschichte und der Nutzung der Bismarcktürme Vlothos und Porta Westfalicas. Dabei werden erstmals nicht nur die Denkmalsformen analysiert, sondern die sozial- und politikgeschichtlichen Hintergründe des Bismarck-Kultes im Kaiserreich und in der Weimarer Republik berücksichtigt. Die Bismarcktürme standen stets in einem Spannungsfeld zwischen Tourismusförderung und nationalistischer Agitation, das in den beiden Weserstädten sehr unterschiedlich aufgelöst wurde.



Antisemitismus im deutschen Kaiserreich. Stereotypenmuster, Aktionsformen und die aktuelle Relevanz eines „klassischen“ Forschungsgegenstandes, in: Sozial.Geschichte Online 25 (2019), S. 45-80.

Abstract
Jede Diskussion über einen „neuen“ Antisemitismus muss von einem diachronen Vergleich ausgehen. Die meisten Studien über den gegenwärtigen Antisemitismus verfolgen seine Geschichte aber nur bis 1945 zurück, nicht aber bis zu den Wurzeln des modernen Antisemitismus im 19. Jahrhundert. Sie fassen den Nach-Holocaust-Antisemitismus weitgehend ungeprüft als etwas substantiell Neues auf und charakterisieren dies mit Attributen wie sekundär, postmodern oder israelbezogen. Dieser Essay widmet sich der Ideologie und sozialen Praxis des Antisemitismus im deutschen Kaiserreich und vergleicht sie mit den Erscheinungsformen der gegenwärtigen Judenfeindlichkeit in Deutschland. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren, um zu ermitteln, was am „neuen“ Antisemitismus tatsächlich „neu“ und was „alt“ ist.




Anpassung oder Rebellion? Weltanschauliches Profil und soziale Funktion des Antisemitismus in der frühen deutschen Jugendbewegung, in: Jahrbuch für historische Bildungsforschung 27 (2021), S. 181-205.

Abstract

Die Jugendbewegungsforschung ist sich weitgehend einig, dass die Verbreitung des Antisemitismus im Wandervogel auf die Anpassung an Normen der Herkunftsmilieus sowie die Vereinnahmung durch die völkische Bewegung zurückzuführen sei. Dies habe im Kontrast zum progressiven kulturkritischen Potenzial der Bewegung gestanden und sei deshalb auf Widerstand aus den eigenen Reihen gestoßen. Ein Blick in jugendbewegte Zeitschriften ergibt jedoch ein völlig anderes Bild: Viele Wandervogelführer/-innen verknüpften Antisemitismus und Kulturkritik und nutzten sie für eine konformistische Rebellion gegen unverstandene Modernisierungsprozesse und die überkommenen bürgerlich-liberalen Werte der Erwachsenenwelt. Die Gegner/-innen der Völkischen im Wandervogel waren nicht gleichzeitig auch Gegner des Antisemitismus. Vielmehr bevorzugten sie einen kulturalistischen Rassismus, der auf eine konformistische Rebellion verzichtete und die soziale Akzeptanz der Jugendbewegung nicht gefährdete.



"Pogromdepp" und "Salonantisemit". Adolf Bartels und Houston Stewart Chamberlain: Zwei Varianten des völkischen Antisemitismus im Kontext von Bürgerlichkeit und Bildungskultur, in: BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen 35, H. 2 (2022), S. 202-226.

Abstract

Glaubt man zeitgenössischen Beobachtern und Historikern, gab es im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zwei Spielarten des Antisemitismus: einen Standards bürgerlicher Respektabilität unterschreitenden Radau-Antisemitismus und einen bürgerlichen Antisemitismus, der gemäßigter auftrat und auch im Bildungsbürgertum akzeptiert wurde. Am Beispiel der völkischen Weltanschauungsproduzenten Adolf Bartels und Houston Stewart Chamberlain wird hinterfragt, ob und inwiefern diese Unterscheidung haltbar ist. Es stellt sich heraus, dass zwischen dem "Radauantisemiten" Bartels und dem "Salonantisemiten" Chamberlain keine substanziellen weltanschaulichen Differenzen bestanden, während sich beide in der Verfügbarkeit über kulturelles Kapital sowie im anvisierten und erreichbaren Zielpublikum durchaus unterschieden. Folglich müssen Radau-Antisemitismus und bürgerlicher Antisemitismus eher als sozialgeschichtliche denn als ideengeschichtliche Kategorien aufgefasst und nicht als Gegenbegriffe, sondern in ihrer Interaktion untersucht werden.



Assimilation als Königsweg? Deutsche und französische Intellektuelle im Meinungsstreit über Judentum und Antisemitismus 1893 bis 1907, in: Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte 51 (2024), S. 283-305.

Abstract

Der Beitrag vergleicht die Stellungsnahmen deutscher und französischer Intellektueller in vier Umfragen zu Antisemitismus und Judentum, die zwischen 1893 und 1907 durchgeführt wurden. Viele deutsch-französische Vergleichsstudien laufen auf die These hinaus, dass die Dritte Republik aufgrund eines liberaleren und inklusiveren Nationskonzepts geringere Assimilationsforderungen an die Juden stellte als das deutsche Kaiserreich und deshalb bessere Voraussetzungen hatte, den Antisemitismus zu ächten. In den Umfragen zeigt sich jedoch, dass auch die französischen Intellektuellen von den Juden die integrationalistische Assimilation forderten. Zudem erklärt sich die Breitenwirkung des völkischen Antisemitismus im deutschen Bildungsbürgertum nicht aus hohen Assimilationserwartungen, sondern gerade aus der Abkehr vom Assimilationsparadigma und der Hinwendung zum ethnischen Pluralismus.



Miszellen und Vorträge


Martin Luther und die Juden. Die Grenzen christlicher Toleranz zur Reformationszeit, in: Gemeindezeitung Berlin-Neukölln Okt./Nov. 2009, S. 7.

"Was halten Sie von den Juden?" Umfragen zu Judentum und Antisemitismus1885 bis 1932, Vortrag im Ev.-ref. Gemeindehaus Vlotho 6.11.2018.

Den Antisemiten die Instrumente weggenommen. Das Schicksal von Ilse und Julius Charig, in: Westfalen Blatt 27.2.2021.

"Nach Vlotho kehrte keiner zurück" Über die verschwiegene Rückkehr von Henny und Marianne Silberberg nach Vlotho, in: Westfalen Blatt 9.11.2021.

Vergessene Nachbarn? Ein Überblick über die Geschichte der Juden in Westfalen, Vortrag im MGH Bad Oeynhausen 8.11.2023.

Israel und der Nahostkonflikt. Geschichte  Rahmenbedingungen  Lösungsvarianten, Vortrag im Calvin-Haus Bad Salzuflen 27.2.2024.

Arisierung und Wiedergutmachung. Die Villa Grundmann in Vlotho und die Metzgerei Frank in Bad Oeynhausen, Vortrag im MGH Bad Oeynhausen 6.11.2024. 

Die "Aktion 3" und ihre juristischen Folgen nach 1945 in Vlotho und Bad Oeynhausen, Vortrag in der Gedenkstätte Zellentrakt 13.6.2025.

Arisierung und Wiedergutmachung in ostwestfälischen Kleinstädten, Vortrag auf dem 4. Workshop zur Erforschung der Geschichte der Juden in Westfalen und Lippe, Bürgerhaus Oerlinghausen 25.9.2025. 



Antisemitismus in Bild und Text. Die Karikaturenserie Politische Bilderbogen 1892-1901, in: Die Mark Brandenburg. Zeitschrift für die Mark und das Land Brandenburg, Sonderheft 2023, S. 22-25.




Lexikon- und Handbuchbeiträge



Sächsische Biografie
hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde, Online-Ausgabe





Deutsche Biographie
hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften




Regionalgeschichte.net
Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz
Heinrich Claß


Schaumburger Profile
Richard Friedrich Ludwig Herzog, in: Hendrik Weingarten (Hg.), Schaumburger Profile. Ein historisch- biographisches Handbuch, Teil 2, Bielefeld 2016, S. 81-83.


Handbuch des Antisemitismus
Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, 8 Bde., Berlin 2008-15.

Bd.5: Organisationen, Institutionen, Bewegungen
Bayrischer Bauernbund (mit Dank an John Abbott)
Deutsche Reformpartei
Deutschsoziale Partei
Deutschsoziale Reformpartei
Mitteldeutscher Bauerverein

Bd.6: Publikationen
Der falsche Gott
Die Juden - die Könige unserer Zeit
Die Wahrheit
Glöß-Verlag
Güterschlächterliste
Kehraus-Kalender
Politische Bilderbogen
Rembrandt als Erzieher

Bd.7: Film, Theater, Literatur und Kunst
Das Volk und seine Treiber
Der deutsche Christus
Endinger Judenspiel
Father-Brown-Erzählungen
Gedanken
Hollywood-Kritik
Judenfeindliche Karikaturen im 19. Jahrhundert (mit Dank an Marco Huggele)
Kosmiker
Kunstwart-Debatte/ Deutsch-jüdischer Parnass
Wiltfeber (mit Dank an Gisela Strübe)

Bd.8: Nachträge und Register
Bartels-Bund
Schulkinderstudie
Bruno Tanzmann

Rezensionen


Volker Herholt, Antisemitismus in der Antike. Kontinuitäten und Brüche eines historischen Phänomens, Gutenberg 2009.

Martin Ulmer, Antisemitismus in Stuttgart. Studien zum öffentlichen Diskurs und Alltag, Berlin 2011.

Götz Aly, Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933, Frankfurt a.M. 2011.

Thorbjörn Ferber, Nationaler Antisemitismus im literarischen Realismus, Berlin 2014.

Susanne Wein, Antisemitismus im Reichstag. Judenfeindliche Sprache in Politik und Gesellschaft der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 2014.

Ulrich Wyrwa, Gesellschaftliche Konfliktfelder und die Entstehung des Antisemitismus. Das deutsche Kaiserreich und das liberale Italien im Vergleich, Berlin 2015.

Julian Köck, „Die Geschichte hat immer Recht“. Die völkische Bewegung im Spiegel ihrer Geschichtsbilder, Frankfurt a.M. 2015.

William Brustein/ Louisa Roberts, The Socialism of Fools? Leftist origins of modern Anti-Semitism, Cambridge 2015.

Franziska Krah, „Ein Ungeheuer, das wenigstens theoretisch besiegt sein muß“. Pioniere der Antisemitismusforschung in Deutschland, Frankfurt a.M. 2016.

Christian Niemeyer, Die dunklen Seiten der deutschen Jugendbewegung. Vom Wandervogel zur Hitlerjugend, Tübingen 2013.
Christian Niemeyer, Mythos Jugendbewegung. Ein Aufklärungsversuch, Weinheim (2.Aufl.) 2018.

Imke Scheib, Christlicher Antisemitismus im deutschen Kaiserreich. Adolf Stoecker im Spiegel der zeitgenössischen Kritik, Leipzig 2021.

Paul W. Massing, Vorgeschichte des politischen Antisemitismus, hrsg. und mit einem Nachwort von Ulrich Wyrwa, Hamburg 2021.

Birgit Aschmann/ Monika Wienfort (Hg.), Zwischen Licht und Schatten. Das Kaiserreich (1871-1914) und seine neuen Kontroversen, Frankfurt a.M. 2022.

Sven Brajer, Am Rande Dresdens? Das völkisch-nationale Spektrum in einer "konservativen Kulturstadt" 1879-1933, Dreseden 2022.

Peter Ullrich/ Sina Arnold/ Anna Danilina/ Klaus Holz/ Uffa Jensen/ Ingolf Seidel/ Jan Weyand (Hg.), Was ist Antisemitismus? Begriffe und Definitionen von Judenfeindschaft (Studien zu Ressentiments in Geschichte und Gegenwart Bd. 8), Göttingen: Wallstein Verlag 2024.

Philipp Morten Martin, Grundstücksveräußerungen von Juden im Nationalsozialismus, Tübingen 2024.
 



Religion, Nationalismus, Schuldabwehr und Gewalt. Neue Gesamtdarstellungen zur Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus, in: Geschichte und Gesellschaft 48, H.1 (2022), S. 144-171.

Abstract 

Der Beitrag wertet neuere Gesamtdarstellungen zu Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus aus und stellt eine Abkehr von Krisen- und Sündenbocktheorien sowie die Hinwendung zu einer in Detailstudien schon länger dominanten kulturgeschichtlichen Forschungstradition fest. Dadurch konnten Erkenntnisgewinne über die Eigenlogik antisemitischen Denkens, Sprechens und Handelns erzielt werden. Dies jedoch um den Preis einer methodisch fragwürdigen Ursachenforschung, die ihre Erkenntnisse allein aus antisemitischen Quellen gewinnen will, nicht aber aus den Rahmenbedingungen, unter denen sie entstanden und wirkten. Die Abkopplung der Antisemitismusforschung von der allgemeinen Geschichte und der deutsch-jüdischen Geschichte sowie eine mangelnde Berücksichtigung zivilgesellschaftlicher Gegenwehr sind die unausweichlichen Folgen.